Pießling-Ursprung

Kat.Nr.: 1827/20

Robert Seebacher

Tauchgang im Endsiphon des Pießling-Ursprung (1636/3)
Roßleiten, Oberösterreich

Lage:
Der eindrucksvolle Quelltopf befindet sich südlich der kleinen Ortschaft Roßleiten /OÖ auf einer Seehöhe von ca. 710 m am Fuße einer etwa 100 m hohen Felswand.

Charakteristik:
Vaklusische Riesenkarstquelle mit ganzjährig beachtlicher Schüttung, die auch bei langer Trockenheit nur selten unter die 500 l/s-Grenze sinkt.
Die Schüttungsspitzen liegen bei mehr als 30.000 l/s.
Das Haupteinzugsgebiet der Quelle reicht vom Warscheneck (2388m) bis zum Plateau der Wurzeralm.
Der Pießling-Ursprung ist die bedeutendste Karstquelle des Toten Gebirges und besitzt neben den Siphonteilen auch ein ausgedehntes, lufterfülltes Gangsystem.

Erforschungsgeschichte:
Der imposante Quelltopf war bereits im Jahre 1962 Ziel erster Tauchgänge. Damals erreichten W. Fuchs und G. Teimer eine Tiefe von 52 m. Sie mussten aufgrund zu starker Strömung und der unzureichenden Ausrüstung an einer Verengung umkehren.
1975 unternahmen Höhlenforscher aus Linz gemeinsam mit Tauchern des Tauchklubs Delphin weitere Forschungen. Auch in diesem Jahr war die Engstelle in 52 m Tiefe der Endpunkt der Tauchgänge im Quelltopf.
In den 80er Jahren wurde diese Engstelle erstmals überwunden und es gelangten Taucher bis in eine Tiefe von 68 m.
Traurige Berühmtheit erlangte die Quelle 1987, als eine Tauchlehrerin in den Tiefen des Siphones umkam. Bei der Suche nach der Vermissten kam es zu weiteren tragischen Ereignissen. Ein Polizeitaucher ertrank in etwa 30 m Tiefe und ein weiterer Einsatztaucher erlitt einen schweren Dekompressionsunfall. Nach diesen Ereignissen wurde die Nachsuche durch hiesige Organisationen eingestellt.

Durch Initiative der Gemeinde Roßleithen unternahm der bekannte, aus Pforzheim (D) stammende Höhlentauch-Pionier Jochen Hasenmayer einen weiteren Such-Tauchgang mit Mischgas. Er erreichte am Ende eines Unterwasserschachtes in 80 m Wassertiefe einen geräumigen Gang mit Kiesboden, der sich weiter ins Berginnere fortsetzt. Dort musste er den Tauchgang ohne auch nur eine Spur der Vermissten gefunden zu haben, abbrechen.
Seit dem gilt für den Quelltopf ein striktes Tauchverbot.

Bei der Tauchaktion 1975 durchtauchten zwei Mitglieder des Tauchklubs Delphin auch einen 25 m über dem Quelltopf gelegenen Nebensiphon.
Hinter der kurzen Unterwasserstrecke gelang es bedeutende trockene Höhlenteile zu entdecken. Mitgliedern des Vereines für Höhlenkunde in Sierning gelang es schließlich nach langer harter Arbeit diesen kurzen Siphon abzuleiten, sodass die ausgedehnten hinteren Teile der Pießlingursprunghöhle 1977 erstmals ohne Tauchausrüstung betreten werden konnten.
Eine Phase rascher Erforschung erbrachte mehr als 1000 m Neuland in teils geräumigen Gängen. An zwei Stellen wird in Form großer Höhlenseen der Wasserspiegel des Quelltopfes erreicht.

Obwohl sich Höhlentaucher immer wieder erfolglos um eine Genehmigung für den Quelltopf bemühten, blieben die Siphone im hinteren Teil der Höhle lange Zeit unbeachtet.
Bereits seit Beginn meiner Tätigkeit als Höhlentaucher interessierte mich der hintere der beiden Siphone sehr. Seine Lage am Ende der großräumigen Höhle, fast 400 m Luftlinie vom Quelltopf entfernt, erschien mir als Ansatzpunkt für Forschungen ideal.
Nachdem mir dann beim Höhlenforschertreffen „Speleo Austria 2001“ im August 2001 Helmut STEINMAßL von einer Strömung berichtete, die er in diesem Endsee bei Hochwasser beobachtet hatte, interessierte mich diese Fortsetzung noch mehr.
Da Helmut als Kenner des Pießling-Ursprungs und als treibende Kraft der Forschung ebenfalls sehr an einem Tauchversuch interessiert war, planten wir gemeinsam für die Wintermonate einen Einsatz.

Der Tauchgang
Am 26. März 2002 war es dann so weit. Als Trägerteam fungierten Nino BACHMAYR, Sebastian KOGLER und Johann PUTZ vom VHO, sowie Helmut STEINMAßl vom VfHk Sierning.
Über den Quelltopf wurden Material und Mannschaft mittels Schlauchboot transportiert. In der Höhle ging es dann weniger bequem etwa 1 Stunde bis zum Endsse. Auf dieser Strecke sind mehrere Engstellen und Kletterstellen zu überwinden, was den Transport der sperrigen Tauchausrüstung erheblich erschwerte.
Der hintere Siphon liegt am Ende des durch schnittlich 10 m breiten und 8 m hohen „Gang des ewigen Schalles“, welcher auf etwa 120 m Länge 70 Höhenmeter überwindet.
Die Wasserfläche ist 6 bis 8 m breit und etwa 40 m lang.
Alle Wände fallen senkrecht oder überhängend die letzten 10 m bis zum Wasserspiegel ab. Nur an der Westwand ist es möglich ohne Abseilen, jedoch mittels Geländerseil zum Wasserspiegel abzusteigen. Glücklicherweise gibt es hier zum Anlegen der Tauchausrüstung auch einen kleinen schrägen Uferbereich.

Tauchtechnik:
Aufgrund der geringen Wassertemperatur von nur etwa 4°C fand ein Trockentauchanzug Verwendung. Das Tauchgerät wurde für diesen ersten Tauchversuch möglichst leicht und transportabel zusammengestellt, da es ja erst durch die gesamte trockene Höhle zum Endsiphon transportiert werden musste.
Verwendet wurde ein 2 x 4 l Rückengerät und ein zusätzliches 4 l – Tauchgerät, welches vor der Brust getragen wurde. So konnte mit einfachen Mitteln und relativ wenig Gewicht ein großes Maß an Sicherheit erreicht werden.

Beleuchtung:
Beim Tauchvorstoß wurde eine Helmlampe mit 35 W als Hauptlicht verwendet. Aufgrund der großen Gangdimensionen wäre die zusätzliche Mitnahme einer starken Handlampe sehr nützlich.
Sicht:

Die Sicht unter Wasser lag bei etwa 6 bis 8 m, da wenige Tage zuvor ein Hochwasserereignis stattgefunden hatte. Normalerweise kann im Winter mit Sichtweiten von 30 bis 50 m gerechnet werden.

Vermessungstechnik:
Die Richtungswerte (Azimut) wurden mit einem Peilkompaß (+-2 Grad Ablesegenauigkeit) entlang der Tauchleine gemessen.
Die Längenangaben der Meßstrecke wurden aufgrund der alle 5 m markierten Führungsleine ermittelt.
Die Vermessung konnte auf diese Weise vom Verfasser alleine durchgeführt werden und erbrachte ein Ergebnis mit einer Genauigkeit von BCRA 3B.

Beschreibung der neuen Unterwasserstrecke:
Am Südende des Endsees beginnt der Siphon II des Pießling Ursprungs. Der Gang ist anfangs etwa 6 m breit und 7 m hoch und führt leicht fallend in Richtung SSW.
Der Boden ist mit feinem Kies und einigen Versturzblöcken bedeckt. Die Blöcke sind stark abgeschliffen und teilweise blankpoliert. Nach 35 m ist eine Tauchtiefe von 15 m erreicht, hier ändert der Gang seine Richtung auf SO und fällt steil über eine Blockhalde in größere Tiefen ab. Die Raumhöhe variiert zwischen 6 und 10 m. Nach einer Tauchstrecke von insgesamt 64 m erreicht man in 32 m Tiefe eine Stelle mit nur noch etwa 2 m Höhe, die Breite liegt bei ca. 8 m.
Hier war am Tag der Erforschung deutlich die Stömung zu spüren. Die Schüttung der Quelle betrug etwa 1 m³/s.
An dieser Stelle wurde der Vorstoß abgebrochen. Vom Umkehrpunkt war ersichtlich, dass der Gang, wieder höher werdend, weiter in die Tiefe führt.
Der Tauchgang dauerte 32 Minuten. Anschließend wurde noch der nördliche Bereich des Endsees untersucht.
Der große Endsee ist zwischen 3 und 5 m tief. Der Bode ist mit Kies und feinem Sand bedeckt. Im nördlichen Bereich liegen große Versturzblöcke, zwischen denen das Wasser in Richtung Eingang abfließt. Hier wäre es möglich abzutauchen, was aber im Zuge dieser Tour nicht durchgeführt wurde.

Ausblick:
Obwohl es nicht gelang, den Endsiphon des Pießling-Ursprunges zu überwinden, kann der durchgeführte Tauchvorstoß als voller Erfolg gewertet werden – Konnten doch die Hauptfortsetzung gefunden und die unterirdische Pießling weiter verfolgt werden.
Weiters ist der Tauchgang ein gutes Beispiel, dass eine systematische und gut überlegte Forschung oft mehr Früchte trägt, als mit riesigem Aufwand die spektakulärste Fortsetzung zu verfolgen.
Hätte man vom vorderen Quelltopf aus versucht, den unterirdischen Lauf der Pießling zu erforschen, wäre man vielleicht nach einem Monster-Tauchgang mit Mischgas und gewaltigen Schwierigkeiten im Endsee aufgetaucht.
Dazwischen wäre es notwendig gewesen, auf über 80 m Tiefe zu tauchen, was nicht nur gefährlich, sondern auch mit großen tauchtechnischen Schwierigkeiten behaftet gewesen wäre.
Obwohl es zweifellos für Geologen und Hydrologen interessant wäre, wie die Unterwasserstrecke zwischen dem Endpunkt des ersten Siphones und dem Endsee verläuft, würde man da wohl auf keine allzugroßen Überraschungen stoßen.
Der Siphon wird von -80 m mit einigem Auf und Ab mehr oder weniger direkt zum Endsee führen.
Weiters dürfte die zur Zeit vom Wasser genutzte Unterwasserstrecke zwischen Endsee und Quelltopf entweder sehr kleinräumig oder durch einen Versturz blockiert sein. Dies beweist der große Rückstau des Endsees bei Hochwasser. Wasserstandsmarken im Feinsediment und das Verwischen von Befahrungsspuren bis etwa 40 m über dem Normalwasserspiegel belegen diese Vermutung.
Weiters kann die neu erkundete Unterwasserstrecke des II. Siphones als logische Verlängerung des „Ganges des ewigen Schalls“ angesehen werden. Die bis zu 80 m über heutigem Wasserniveau gelegenen, geräumigen Gänge und Hallen (Gang des ewigen Schalls, Blockhalle) wurden vermutlich nachträglich am jetzigen piezometrischen Wasserspiegel gekappt und trockengelegt.
Der im Mittelteil gelegene Tiefensee weist laut Angaben von H. Steinmaßl weit geringere Spiegelschwankungen auf. Folglich muß die Unterwasserstrecke in Richtung Quelltopf großlumiger sein, als der hintere Teil. Für den Rückstau im Tiefensee dürfte die Engstelle am Grund des Quelltopfes in 52 m Wassertiefe ausschlaggebend sein. Der Querschnitt dieser „Düse“ beträgt nur etwa 2 bis 3 m². Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die am Boden lagernden Schottermassen bei Hochwasser in Richtung Quelle „geblasen“ werden und anschließend wieder zurückrutschen. Ansonsten würden an dieser Stelle bei Hochwasser fast unvorstellbare Strömungsgeschwindigkeiten von etwa 15 m/s erreicht werden.
All diese Thesen bedürfen einer genauen Klärung durch weitere Tauchgänge. Sowohl im Endseeversturz als auch im Tiefensee wird es möglich sein, weitere Rückschlüsse auf die hydraulischen Verhältnisse in dieser beeindruckenden Karstquelle zu ziehen.

Dank:
Natürlich muß erwähnt werden, dass ein derartiger Tauchgang ohne ein starkes Trägerteam unmöglich wäre. An dieser Stelle möchte ich mich bei Nino BACHMAYR, Sebastian KOGLER und Johann PUTZ für deren Einsatz bedanken. Besonderen Dank verdient aber Helmut STEINMAßl, der neben der Mitwirkung als Träger diese interessante Erforschung erst ermöglichte. Weiters erfuhr ich von ihm interessante Details über die Höhle und erhielt Fotos für diesen Bericht.

Literaturhinweise:

BUCHBAUER, W.: Pießling Ursprung. Mitteilungen des Vereines für Höhlenkunde Sierning, 1. Heft 1978, S. 5-8, Sierning 1978

TROTZL, K & TEIMER, G.: Erster Tauchereinsatz im Pießlingursprung (Oberösterreich).Die Höhle, 13, Heft 4: S. 84-88, Wien 1962.

Weiterer Tauchvorstoß.pdf